Apfelessig: Schädlich bei Stillem Reflux

Letzte Aktualisierung:
24. April 2024

apfelessig stiller reflux

Ab und zu findet sich im Internet die Empfehlung, gegen Reflux Apfelessig als Hausmittel zu verwenden. Die Idee dahinter ist, die Verdauung anzuregen. Es handelt sich um einen Trend, der derzeit insbesondere in den USA populär ist und sich von dort ausbreitet.

Zumindest bei Stillem Reflux ist diese Empfehlung jedoch fahrlässig und kontraproduktiv.

Apfelessig verstärkt die Symptome von Stillem Reflux

Apfelessig ist sauer, hat also einen niedrigen pH-Wert. Niedrige pH-Werte von Lebensmitteln sind bei Stillem Reflux jedoch ein signifikantes Problem.[1]

Saure Lebensmittel, insbesondere Flüssigkeiten, regen die Aktivität des Magenenzyms Pepsins an, wodurch dessen proteinschädigende Wirkung verstärkt wird. Solange sich Pepsin im Magen befindet, ist mehr Säure potenziell verdauungsförderlich. Bei Stillem Reflux findet sich Pepsin jedoch zusätzlich außerhalb des Magens. Während des Refluxes gelangt das Magenenzym in Hals und Atemwege, wo es an den Schleimhäuten haftet und zusätzlich teilweise von den dortigen Zellen absorbiert wird.[2],[3]

Beim Schlucken saurer Lebensmittel, wie Apfelessig, wird die Aktivität des zuvor refluxten Pepsins angeregt. Das bedeutet, dass die reizende und entzündliche Wirkung verstärkt wird und die Proteine der Schleimhäute geschädigt werden. Das Resultat ist, dass sich die Symptome des Stillen Refluxes verschlechtern. Dies ist der Grund, warum Apfelessig, oder andere saure Substanzen, eine kontraproduktive Maßnahme bei Stillem Reflux sind.

Verwirrung, wann ein Lebensmittel als sauer gilt

Vor einiger Zeit schrieb mir eine Leserin, dass es doch ganz einfach wäre, die pH-Werte von Lebensmitteln herauszufinden. Die stünden ja schließlich überall im Internet. So fand sie auch den pH-Wert von Zitronen. Angeblich sollen Zitronen laut einer Website alkalisch sein. Daher dachte sie, Zitronen wären bei Stillem Reflux empfehlenswert.

Aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Zitronen sind sehr sauer. Sie reaktivieren beim Essen -immens- die Pepsine auf den Schleimhäuten, ähnlich wie Apfelessig, was Schäden und damit Symptome von Stillem Reflux verursacht.

Genauer gesagt haben Zitronen einen pH-Wert zwischen 2 und 3 (der pH schwankt bei Ernteprodukten stark). Bei diesem Säuregehalt haben Pepsine circa 70% ihres maximalen Aktivitätsniveaus, was signifikante Schädigungen der Atemwegsschleimhäute verursachen kann.

Bei Stillem Reflux sollte man alles unter pH 4 unbedingt meiden, besser auch alles unter pH 5 – was sowohl Zitronen als auch Apfelessig zu sauer macht.

Woher kommt die Information Zitronen wären alkalisch?

Antwort: es gibt verschiedene pH-Werte, die man bei Lebensmittel betrachten kann.

Erstens – und für uns relevant: der pH-Wert, den das Lebensmittel unverdaut hat. Sprich: wie sauer das Essen ist, wenn es im Mund ist, oder du es runterschluckst.

Zweitens: im Körper entstehen bei der Verdauung Säuren und Basen (alkalische Stoffe). Essen, das eigentlich sauer ist, kann im Körper Basen erzeugen. Daher listen viele Quellen den pH-Wert auf, den Lebensmittel im Körper erzeugen. Er soll helfen, einen gesunden Säure-Base-Haushalt im Körper zu erlangen.

Bei manchen Krankheiten wird gesagt, zu viel Säure sei ein Problem – beispielweise bei Rheuma. Daher gibt es viele Ratgeber, die sich damit beschäftigen, einen gesunden Säuren-Base-Haushalt im Körper wiederherzustellen. Bei Rheuma mag das zutreffen, und ich kenne mich nicht gut genug mit Rheuma aus, um das beurteilen zu können. Generell ist der Körper jedoch sehr gut darin, den pH-Level im Körper konstant zu halten. Insofern macht ein Einsatz alkalischer Diäten außerhalb streng umrissener Problemfelder keinen Sinn.

Für Stillen Reflux sind die pH-Wert-Angaben dieser Ratgeber in jedem Fall nicht relevant – oder gar gefährlich.

Zitronensaft und Apfelessig sind zwei gute Beispiele dafür. Beide Substanzen werden zwar IM Körper zu Basen verstoffwechselt. Doch sie sind sehr sauer WÄHREND dem Trinken und reaktivieren daher zuvor refluxtes Pepsin in Rachen und Mund, welche dann die Schleimhäute schädigen.

Bei Stillem Reflux ist also der pH-Wert des unverdauten Lebensmittels relevant. Dieser ist schwieriger zu finden und man darf die zwei Werte auf keinen Fall verwechseln.

Am zuverlässigsten ist, wenn du den pH-Wert von Lebensmitteln selbst testest, beispielsweise mit Lackmuspapier. In meinem Onlinekurs, dem Stillen Reflux Protokoll, stelle ich Mitgliedern zudem eine umfangreiche Liste mit pH-Werten von Lebensmitteln zu Verfügung, welche ich selbst getestet habe.


Quellen

[1] Koufman JA. Low-acid diet for recalcitrant laryngopharyngeal reflux: therapeutic benefits and their implications. Ann Otol Rhinol Laryngol. 2011 May;120(5):281-7.

[2] Kowalik K, Krzeski A. The role of pepsin in the laryngopharyngeal reflux. Otolaryngol Pol. 2017;71(6):7-13.

[3] Salihefendic N, Zildzic M, Cabric E. Laryngopharyngeal Reflux Disease – LPRD. Med Arch. 2017;71(3):215–218.

Über den Autor

Gerrit Sonnabend

Gerrits Sonnabends beruflicher Hintergrund ist in der qualitativen Forschung und Data-Science. Er hatte selbst starken Reflux. Hier kannst du mehr zu Gerrit erfahren.