Anmerkung: beim folgenden Text handelt es sich um eine Übersetzung eines englischen Interviews. Das Original findest du hier in der englischen Version von Refluxgate. Wir nutzen im Interview den Begriff LPR (laryngopharyngealer Reflux), was der medizinische Begriff für Stillen Reflux ist.
Es ist für Patienten recht schwierig, Unterstützung für LPR zu finden.
Ein Grund hierfür ist: Selbst wenn die Krankheit diagnostiziert wurde, ist die Behandlung schwer. Es gibt dagegen keine magische Pille. Mehr noch, über LPR-Behandlungen sind jede Menge Fehlinformationen im Umlauf – sogar unter Ärzten.
Erfahre, was Professor Peter Dettmar, einer der führenden LPR-Forscher, zur Behandlung berichtet.
Dies ist der dritte Teil des Interviews: Der erste Teil behandelte Pepsin und der zweite die Symptome von LPR.
Teil Nr. 3 – LPR-Behandlung
Frage: Welche Rolle spielen PPI, kurz für Protonenpumpenhemmer, als Maßnahme gegen LPR?
Professor Peter Dettmar:
PPI senken die Produktion von Magensäure.
Das Problem ist: die Produktion von Pepsin senken sie dabei in keinster Weise.
Mehr noch: den Reflux selbst stoppen sie auch nicht. Somit erleidet man auch weiterhin einen Rückfluss von Pepsin in die Atemwege.
Pepsin ist aktiv zwischen pH 1 bis pH 7 – das bedeutet, dass es auch bei Einnahme säurehemmender PPI weiterhin aktiv ist.
Sind denn PPI gegenüber LPR dann überhaupt sinnvoll? Falls ja, in welchen Fällen? Wie gut funktionieren sie?
Nein, allgemein werden PPI für Patienten mit ausschließlich Atemwegsreflux oder LPR nicht empfohlen. Für diejenigen allerdings, die auch klassischere Refluxsymptome zeigen – Sodbrennen und Regurgitation – werden PPI durchaus vorteilhaft wirken.
Kann Pepsin eine chronische Entzündung hervorrufen, die sich nicht auflöst, sobald der Reflux verschwunden ist?
Darüber stehen nicht wirklich viele Informationen zur Verfügung.
Wir wissen, dass z.B. die Symptome von in die Atemwege eingedrungenem Pepsin eine ganze Zeit lang anhalten, nachdem man seinen Reflux gestoppt hat.
Wenn man Reflux behandelt, hat man ihn vielleicht also nicht so schlimm, wie man ihn ansonsten gehabt hätte. Aber man wird noch immer leichten Reflux haben.
Zuvor hatten Sie vielleicht 30, 50, 100 Mal am Tag Reflux. Während der Behandlung erleiden Sie eventuell nur noch fünfmal täglich Reflux. Aber das bedeutet nun mal, dass noch immer Pepsin aufsteigt und auch weiterhin die ohnehin schon sensiblen Bereiche beschädigt.
Nehmen wir einmal an, Sie stoppen den Reflux vollständig von einem Tag auf den anderen, z. B. operativ. Wie schnell verschwinden die Symptome normalerweise?
Zur vollen Behebung benötigen sie durchaus einige Zeit.
Obwohl diese Verfahren definitiv den Umfang Ihrer Symptome reduzieren, werden nicht unbedingt alle auf einmal entfernt werden können.
Es kann nach der Operation noch Wochen in Anspruch nehmen, bis man wirklich eine deutliche Verbesserung der Symptome empfindet. Sie sollten recht unmittelbar eine gewisse Linderung der Symptome verspüren, aber es könnte auch einige Zeit dauern, weil jeder chirurgische Eingriff in das Gewebe ziemlich traumatisch wirkt und alles erst wieder in den vorherigen Zustand zurückkehren muss.
Es braucht einfach Zeit, bis sich das Gewebe wieder beruhigt hat.
Wie erfolgreich sind Antireflux-Operationen auf lange Sicht?
Fundoplikatio und LINX sind großartige Optionen, die die Lebensqualität der Patienten verbessern können.
Allerdings zeigt sich oft innerhalb von zwei bis fünf Jahren nach jedem chirurgischen Anti-Reflux-Verfahren, dass die Symptome erneut auftreten. Die Symptome brechen wieder durch. Anders ausgedrückt, der Reflux bricht durch. Eine Operation ist daher eine gute Option, aber nicht unbedingt als 100-prozentige Lebenszeitoption.
Weil sich eine Fundoplikatio lösen, oder locker werden kann? Oder wie tritt der Reflux wieder zu Tage?
Ja, die Fundoplikatio kann sich lockern. Der LINX ist noch neu, aber es gibt einige Patienten, deren Symptome bei nachlassender Leistungseffizienz des LINX wieder auftreten.
Weder Fundoplikatio noch LINX dürfen Ihren unteren Ösophagus-Schließmuskel zu sehr straffen. Ansonsten könnten Sie keine festen Lebensmittel mehr zu sich nehmen. Sie wären nicht in der Lage, aufzustossen. Ihr Leben wäre absolut schrecklich.
Bewirkt werden also eine Verengung des Sphinkters, sowie eine Kontrolle des Reflux, aber keines davon hundertprozentig. Sonst würde es Ihr Leben nur noch verschlimmern.
Ja, Sie könnten eine neue Fundoplikatio bekommen. Das ist aber nicht immer empfehlenswert, da es ein zusätzliches Trauma für einen bereits geschädigten Bereich bedeutet.
Es ist wahrscheinlich schwierig, genaue Zahlen zu benennen. Aber was wäre eine grobe Schätzung, wie oft die Symptome nach einer Operation wiederkehren?
Ein Schätzwert würde lauten mindestens 50% über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren.
In diesem einen Interview werden wir nicht alle verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten bereden können. Aber mal abgesehen von den üblichen Empfehlungen wie einer Operation sowie einer Änderung des Lebensstils und der Ernährung: Gibt es noch andere Behandlungsmöglichkeiten, die sonst eher übersehen werden?
Sehr wichtig und hilfreich sind Stimmhygiene und Logopädie.
Sie sollten Ihren HNO-Arzt oder einen Sprachtherapeuten bitten, Sie dabei zu unterstützen.
Fast alle existierenden Lösungen konzentrieren sich auf den unteren Ösophagus-Schließmuskel. Gibt es relevante Lösungen, die den Fokus auf den oberen Ösophagus-Schließmuskel richten?
Nein, nicht wirklich.
Es scheint allerdings auch, dass sich die Forschung stark auf auf den unteren Ösophagus-Schließmuskel konzentriert, weil er einfacher zu verstehen und mit Operationen zu beinflussen ist.
Die Menschen sind sich durchaus auch der Schwächen im oberen Ösophagus-Schließmuskel bewusst, aber es gibt meines Wissens nicht ernsthaft irgendetwas, das auf diesen abzielt. Noch nicht.
Was ist mit dem neuen “Reza Band”? Es wird damit beworben, dass es den Druck auf den oberen Ösophagus-Schließmuskel erhöht. Man kommt in Selbsthilfegruppen oft auf dieses Gerät.
Das REZA-Band befindet sich noch im Stadium klinischer Studien. Es ist noch zu früh, um über seinen Nutzen bei der Behandlung der Symptome von LPR zu sprechen.
Wie kann Kortison gegen Schäden aufgrund von Pepsin helfen?
Die Einnahme von Cortisol lindert Symptome, aber wir wissen nicht absolut, ob es das Pepsin faktisch stoppt.
Es kann einem also mit dieser Behandlung gut gehen, aber das Pepsin könnte trotzdem noch da sein.
Wenn Sie also sagen, das Pepsin ist während der Kortison-Behandlung noch vorhanden: blockiert es dann nur die Wirkung des Schadens? Man nimmt es also zwei Wochen und wenn man aufhört, spürt man einfach den Schaden der letzten 14 Tage auf einmal?
Nein, das Cortisol wird definitiv helfen und es wird dem geschädigten Gewebe erlauben, sich im Laufe dieser Zeit zu heilen. Daran besteht kein Zweifel. Aber es ist fast wie mit einem Pflaster.
Man hat die Verletzung abgedeckt, aber sie ist eben immer noch da, wenn man das Pflaster entfernt. Mit anderen Worten, Reflux kann immer noch vorkommen und mehr Pepsin liefern. Es ist keine dauerhafte Lösung für das Problem.
Man muss tatsächlich den Reflux behandeln.
Cortisol ist zweifellos etwas, das Sie einnehmen können, um Ihren Körpergeweben Zeit zu geben zu heilen, und es wird Ihnen das Leben während der Behandlung deutlich erleichtern. Sobald man allerdings damit aufhört, werden, mit geringfügiger Verzögerung, dieselben Probleme wieder auftauchen.
Und da ist noch dieser andere Umstand, dass Reflux eine sehr chronische Erkrankung ist.
Sobald bei Ihnen eine Refluxerkrankung diagnostiziert wurde, werden Sie diese aller Voraussicht nach für den Rest Ihres Lebens haben.
Sie müssen also eine dauerhaft anwendbare Behandlung finden, womit Cortisol eine schlechte Wahl wäre.
Wir haben nun viel über das gesprochen, was bei LPR nicht funktioniert. Abgesehen von einer Operation, was WÜRDE funktionieren?
Erstens ist LPR keine säureassoziierte Refluxerkrankung und PPI sind weitgehend wirkungslos. Das wird durch viele Studien belegt.
Es hat sich gezeigt, dass Alginat, speziell die britischen Gaviscon-Produkte, sowohl Pepsin als auch Gallensäuren binden und vom Rückfluss in die Speiseröhre und die Atemwege blocken können.
Wichtig sind Empfehlungen in Hinsicht auf Änderungen des Lebensstils und der Ernährung. Auch an Gewicht abzunehmen ist wichtig.
Ende von Teil Nr. 3 des Interviews mit Prof. Dettmar
Das war der letzte Teil der Interviewserie mit Professor Peter Dettmar.
Ferner habe ich ein ausführliches mündliches Interview mit Professor Peter Dettmar über Pepsin aufgenommen (mit deutschen Untertiteln). Du findest es in meinem Online-Kurs, dem Stiller Reflux Protokoll.