Anmerkung: beim folgenden Text handelt es sich um eine Übersetzung eines englischen Interviews. Das Original findest du hier in der englischen Version von Refluxgate. Wir nutzen im Interview den Begriff LPR (laryngopharyngealer Reflux), was der medizinische Begriff für Stillen Reflux ist.
Dieser Beitrag ist der zweite Teil des Interviews mit Professor Peter Dettmar – einem führenden Experten in der Forschung rund um LPR.
Ich habe bereits einen Artikel über typische Symptome, die durch LPR verursacht werden können, geschrieben. Ich empfehle dir, diesen Artikel noch vor dem Interview zu lesen.
Basierend auf meiner bisherigen Recherche zu den Symptomen hatte ich einige weitergehende Fragen an Professor Dettmar:
Teil Nr. 2 – LPR-Symptome (weiterführende Fragen)
Frage: Wie hängen Lungenerkrankungen mit LPR zusammen?
Prof. Peter Dettmar: Die Forschung hat untersucht, wie sich der Reflux in den Atemwegen verteilt.
Als wir sahen, dass der Reflux auch die Atemwege in Form sehr feiner Partikel erreichen kann, haben wir festgestellt, dass Reflux auch mit verschiedenen Lungenerkrankungen verbunden ist. Beispiele sind Mukoviszidose und COPD. Letzteres ist eine Krankheit, die öfter bei älteren Menschen auftritt und die zudem mit Rauchen in Verbindung gebracht wird. Nunmehr wird es auch mit Reflux assoziiert.
Wir schätzen, dass etwa 65-70% der Menschen, die an COPD, einer wirklich chronischen Krankheit, leiden, tatsächlich auch an einer Refluxerkrankung erkrankt sind. Wir und andere haben diesbezüglich klinische Studien durchgeführt.
Es bedeutet nicht, dass COPD überhaupt erst durch Reflux-Erkrankungen verursacht worden ist. Das mag ihr Lebensstil gewesen sein oder am Rauchen liegen, aber Reflux kann alle Symptome enorm verschlimmern und verschärfen.
Noch eine aktuell eindeutig mit Reflux assoziierte Krankheit ist Lungenfibrose. Damit sind einige der häufiger auftretenden Lungenerkrankungen auch mit Reflux verbunden.
Was ist der Zusammenhang zwischen Asthma und LPR?
Die Assoziation von Asthma und Reflux ist sehr hoch. Es gibt in der Literatur etliche Studien, die Asthma mit Reflux korrelieren.
Das ist typischerweise der Fall für Asthma bei Erwachsenen – Asthma, das erst auftritt, wenn man erwachsen ist. Kinder entwickeln häufig Asthma, aber ihre Krankheit hat oft andere Ursachen als Reflux.
Welche anderen Lungenkomplikationen gibt es bei LPR?
In den letzten 10 Jahren ist es, mit zunehmenden Transplantationen, vor allem Lungentransplantationen, zunehmender Fokus auf die Komplikation der Abstoßung von transplantierten Organen gerichtet.
Darüber hinaus wird mittlerweile anerkannt, dass die Abstoßung einiger dieser Organe faktisch auf den Reflux von Patienten zurückzuführen ist. Ihr Mageninhalt fließt dabei in ihre Lunge. Das führt zu Entzündungen und die neue Lunge wird abgewiesen.
Aus dem Grund werden Patienten jetzt noch vor der eigentlichen Transplantation mit Anti-Reflux-Medikamenten versorgt, oder bekommen eine Fundoplikation.
In der aktuellen Transplantationsliteratur ist Reflux als etwas anerkannt worden, das verhindert werden muss, bevor man das Organ tatsächlich in den Patienten transplantiert. Menschen könnten sogar vor einer Lungentransplantation als reine Präventivmaßnahme eine Anti-Reflux-Operation erhalten.
Wenn wir die Muster von LPR betrachten und wie die Schäden durch Pepsin aussehen, gibt es dann etwas Typisches bei der Entwicklung der Symptome?
Bei LPR sind Pepsinschäden in den Kehlkopfbereichen sehr ausgeprägt: am Kehlkopf, an den Stimmbändern, im Rachen und im Halsbereich. In diesen Bereichen wird ein HNO-Arzt etliche Rötungen sehen und zwar von Entzündungen bei ausreichend starkem Reflux.
Ein Vorliegen solcher Entzündungen bedeutet, dass das Sprechen – und noch mehr lautes Reden und Schreien – diesem Bereich irgendeine Art von Schaden zufügen wird.
Wir sehen eine Menge solcher Schäden verstärkt bei Menschen, die ihre Stimmen viel benutzen. Beispiele sind Sänger, Schauspieler, Lehrer, Politiker, Nachrichtensprecher und alle, die ihre Stimme oft benutzen. Sie spüren die LPR Symptome früher, als andere Menschen, die weniger auf ihre Stimme angewiesen sind.
Und weil der Kehlkopf im Hals steckt, wird alles, was Sie essen und trinken, ob heiß oder kalt, ebenfalls für Irritationen sorgen, da es mit den dortigen Schleimhäuten in Kontakt kommt.
Ist der Kehlkopf der typische Bereich, wo Sie Symptome erkennen?
Es ist wahrscheinlich, dass, FALLS Sie Symptome bekommen, auch Ihr Kehlkopf oder Ihre Stimmbänder in Mitleidenschaft gezogen werden.
Ein HNO-Arzt oder Chirurg muss sich also mit den Schäden rund um den Kehlkopf befassen, aber vor allem auch mit den Muskeln, die die Stimmbänder steuern. Dies wäre z.B. bei einer nasalen Magenspiegelung durchführbar. Die Muskeln, die die Stimme steuern, grenzen an den Kehlkopf an und können daher mit Pepsin in Kontakt kommen. Auch die Stimmbänder selbst können beschädigt werden.
Manchmal besteht eine der Behandlungen ganz einfach darin, nicht zu sprechen. Allerdings kann das für Patienten sehr schwierig sein.
Spüren die Betroffenen die Momente, in denen sie Gasrückfluss haben?
Nein, normalerweise können sie das nicht.
Manchmal behaupten einzelne Leute: “Ich glaube nicht, dass ich Reflux habe, aber ich bekomme ab und an einen fiesen Geschmack in meinem Mund oder im Rachen.” Das ist ein Zeichen für einen gasförmigen Refluxer, auch wenn diese Menschen den eigentlichen Gasrückfluss nicht spüren können.
Zu Beginn meines Refluxes ist mir aufgefallen, dass ich ständig aufstoßen musste. Von anderen Betroffenen höre ich manchmal ähnliches. Handelt es sich bei häufigem Aufstoßen um ein Symptom von Stillem Reflux?
Es ist fast sicher mit Reflux assoziiert.
Aber für viele Menschen steigt die Luft einfach ohne Wahrnehmung auf?
Ganz genau.
OK, danke für die Klarstellung. Gehen wir zu einem Thema über, das vielen meiner Leser in den Sinn kommt: Welche Bedeutung hat LPR als Krebsursache?
Refluxerkrankungen können zu schwerwiegenderen Krankheiten führen.
Der Prozentsatz der Menschen, die zu schwerwiegenderen Erkrankungen übergehen, ist unseres Wissens recht niedrig, aber es gibt starke Hinweise darauf, dass Patienten, die mit Ösophagus- und Kehlkopftumoren behandelt werden, tatsächlich zuerst wegen Reflux-Erkrankungen auffällig waren.
Es besteht also offensichtlich ein Zusammenhang zwischen diesen Krebsarten und Reflux.
Man kann unmöglich sagen, wie lange ein Patient einen Reflux haben muss, bevor er Krebs bekommt. Sie könnten Reflux für 10, 20 oder sogar 30 Jahre haben und keine dieser Krebsarten bekommen.
Wir sprechen hier nicht von großen Zahlen, sondern davon, dass vielleicht 1% aller Refluxer in diesen Bereichen ihres Lebens Krebs entwickeln könnten.
Im Vergleich zur Anzahl an Menschen, die insgesamt Krebs bekommen, ist das keine sehr große Hausnummer. Aber Reflux erhöht definitiv die Risiken, dass in diesen Bereichen Krebs entsteht.
Ende von Teil Nr. 2 des Interviews mit Prof. Dettmar
Das Interview mit Professor Peter Dettmar war voller nützlicher Informationen. Um alles leichter zu verarbeiten, habe ich es in mehrere Teile aufgeteilt.
Der erste Teil behandelte die Schlüsselrolle von Pepsin für LPR. In Teil 3 geht es um die Behandlung von LPR.
Möchtest du herausfinden, ob du LPR-Symptome hast? Klicke hier, um online deinen Refluxsymptom-Index (RSI) zu ermitteln. Er gibt dir einen ersten guten Eindruck, ob deine Symptome zur Erkrankung passen.