Bei Stillem Reflux lassen sich zwei Prozesse unterscheiden.
Reflux gelangt in die Atemwege: Zunächst findet der Reflux selbst statt. Das bedeutet, Magensaft muss über die Speiseröhre bis in die Atemwege gelangen.
Entstehung von Entzündungen: im zweiten Prozess entstehen durch den Reflux Reizungen und Schäden in den Atemwegen. Erst dann sprechen wir von einer Refluxerkrankung oder Stillem Reflux.
Nicht alle Betroffenen mit Reflux reagieren auch automatisch mit Refluxsymptomen. Jede Person ist unterschiedlich anfällig für Reflux. Die Schleimhäute können eine gewisse Menge an Reflux aushalten, ohne sich zu entzünden. Umso stärker und regelmäßiger Reflux jedoch stattfindet, desto wahrscheinlicher wird es mit der Zeit, Symptome zu entwickeln.
In diesem Artikel werden wir uns mit der Grundursache des Stillen Reflux befassen, also wie Reflux entsteht und es bis in die Atemwege schafft.
Wie aus dem Reflux am Ende Entzündungen, Schäden und Symptome in den Atemwegen entstehen, erfährst du in einem anderen Artikel.
Zwei Ventile, doppelter Schutz
Normalerweise wird Reflux durch Ventile in der Speiseröhre zurückgehalten. Der medizinisch korrekte Begriff für ein Speiseröhrenventil ist Ösophagussphinkter. Der Ösophagus ist die Speiseröhre, während ein Sphinkter ein ringförmiger Schließmuskel ist. Letztendlich kannst du dir die Spinkter vielmehr wie ein Ventil vorstellen, denn ihre Aufgabe ist es, den Durchfluss von Nahrung und Flüssigkeiten durch die Speiseröhre je nach Bedarf zu regulieren. Nahrung und Mageninhalt dürfen nur dann passieren, wenn sie es sollen.
Die Ventile müssen sich kurzzeitig zum Schlucken öffnen. Im Ausnahmefall müssen sie Mageninhalt beim Vorgang des Übergebens in die umgekehrte Richtung durchlassen. Zudem müssen sie sich öffnen, falls im Magen aufgrund der Freisetzung von Gasen ein zu hoher Druck entsteht, beispielsweise nach dem Konsum kohlensäurehaltiger Getränke.
Man sieht, dass die Ventile keine leichte Aufgabe haben. Sie müssen in der Lage sein, im richtigen Moment Dinge durchzulassen oder zu blockieren. Öffnen die Sphinkter im falschen Moment, entsteht Reflux. Auch das gegenteilige Problem kommt vor. Öffnen der Sphinkter nicht, wenn sie es sollen, so kommt es zu Schluckbeschwerden (Dysphagie).
Das erste Ventil: der untere Ösophagussphinkter (UÖS)
Die Speiseröhrenventile sitzen jeweils an beiden Enden der Speiseröhre.
Das erste Ventil, vom Magen aus gezählt, trennt Speiseröhre und Magen. Dieses Ventil nennt man den “unteren Ösophagussphinkter”, kurz UÖS.
Normalerweise sorgt dieses Ventil dafür, dass der Mageninhalt nicht in die Speiseröhre gerät.
Funktioniert diese Ventilfunktion nicht korrekt und öffnet sich der Sphinkter zu oft, so kommt es zu Reflux.
Warum sich der untere Ösophagussphinkter zu oft öffnet und was man dagegen tun kann, dafür gibt es verschiedene Gründe. Es kann sein, dass der Sphinktermuskel zu schwach ist. Ebenfalls kann ein Zwerchfellbruch die Funktion des Sphinktermuskels stören.
Oftmals ist es jedoch gar nicht der Sphinkter selbst, der das Problem ist, sondern ein überhöhter Druck im Magen, welchem er standhalten muss.
Zu große Mahlzeiten pressen den Sphinkter zwangsläufig auf, sodass der Magen Druck entlassen kann. Zudem können Magenentleerungsstörungen dazu führen, dass der Druck im Magen zu hoch ist. Auch Störungen des Magenpförtners, welcher den Abfluss des Nahrungsbreis in Richtung Darm kontrolliert, kann den Druck im Magen erhöhen.
Das zweite Ventil: der obere Ösophagusspinkter (OÖS)
Es gibt oberhalb der Speiseröhre noch ein zweites Ventil, den oberen Ösophagussphinkter, kurz OÖS.
Dieses zweite Ventil trennt die Speiseröhre und den Rachen voneinander ab.
Der untere Ösophagussphinkter ist die Hauptbarriere gegen Reflux
Oftmals wird von Patienten vermutet, das Problem des Stillen Refluxes läge beim oberen Ösophagussphinkter. Das ist zunächst eine logische Annahme, denn würde das obere Speiseröhrenventil komplett dicht bleiben, dann würde Reflux nicht mehr in die Atemwege gelangen.
Jedoch ist es so, dass der obere Ösophagussphinkter allerhöchstens eine letzte Barriere für Reflux darstellt. Er ist alleine nicht in der Lage, Reflux komplett zurückzuhalten. Das Problem entsteht stattdessen bereits dann, wenn Reflux es überhaupt aus dem Magen in die Speiseröhre schafft. Es muss also bereits an der Quelle verhindert werden, damit Reflux erst gar nicht aus dem Magen in die Speiseröhre gelangt.
Stiller Reflux wird durch Aerosole verursacht
Refluxsymptome in der Speiseröhre wie Sodbrennen werden durch flüssigen Reflux verursacht.
Bei Stillem Reflux hingegen handelt es sich oftmals nicht um flüssiges Material, sondern um kleinste Mengen eines Aerosols – eine Mischung von Luft und Refluxpartikeln. Du kannst ihn dir wie einen Nebel vorstellen, jedoch so dünn, dass er unsichtbar ist. Daher wird bei Stillem Reflux auch manchmal von gasförmigen Reflux gesprochen. Es ist zwar physikalisch gesehen kein Gas, sondern ein Aerosol, aber es verbildlicht gut die Beschaffenheit des Stillen Refluxes.
Entlastung und Stärkung des unteren Speiseröhrenventils als Therapieansatz
Eine erfolgreiche Behandlung von Stillem Reflux muss primär dafür sorgen, dass Reflux erst gar nicht in die Speiseröhre gelangt.
Dies lässt sich durch folgende Maßnahmen erreichen:
Verringerung des Magendrucks
Eine Möglichkeit ist, den Druck im Magen zu verringern, sodass der untere Ösophagussphinkter weniger leisten muss, um dem Reflux standzuhalten.
Folgende Faktoren können den Magendruck erhöhen:
- Große Mahlzeiten: Je voller der Magen, desto höher der Magendruck.
- Gewichtheben: Die starke Anspannung der Bauchmuskeln erhöht den Druck im Magen.
- Übergewicht: Das Bauchfett drückt auf den Magen und erhöht so den Druck.
- Schwangerschaft: Ähnlich wie Bauchfett kann auch das Ungeborene auf den Magen drücken.
- Gasbildende Lebensmittel: manche Lebensmittel, insbesondere aber kohlensäurehaltige Getränke, blähen den Magen durch entstehende Gase auf
Vermeidung von Substanzen, die das untere Ventil schwächen
Gewisse Inhaltsstoffe von Lebensmitteln können auf das untere Speiseröhrenventil wirken, wodurch dieses dem Druck nicht mehr so gut standhalten kann und Reflux leichter durchlässt. Dazu gehören zum Beispiel Inhaltsstoffe von Schokolade und Kaffee.
Chirurgische Stärkung des unteren Ventils
Eine Anti-Reflux Operation, wie zum Beispiel die Fundoplicatio, setzt am unteren Speiseröhrenventil an. Ziel ist, dass möglichst wenig Reflux vom Magen in die Speiseröhre geraten.
Die Fundoplicatio ist besonders bei klassischem Reflux, der Sodbrennen verursacht, gut etabliert und sehr wirksam. Bei Stillem Reflux kann die Operation auch helfen, jedoch ist die Wirksamkeit weniger gut. Gasartiger Stiller Reflux ist schwieriger zu stoppen als der flüssige Speiseröhrenreflux.
Allerdings ist eine Operation nur in extremen Fällen notwendig. In der Regel lässt sich die Erkrankung mit einer Anpassung der Ernährungsgewohnheiten gut behandeln.
In meinem Onlinekurs Stiller Reflux Protokoll gehe ich im Detail darauf ein, welche Ernährungsmaßnahmen deinen Stillen Reflux am schnellsten beseitigen.
Quellen
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