Mit welchen Tests lässt sich Stiller Reflux nachweisen?

Letzte Aktualisierung:
24. April 2024

Stiller Reflux Test

Die Diagnose von Stillem Reflux ist eine echte Herausforderung.

Reflux lässt sich in den Atemwegen nicht direkt messen. Damit meine ich Reflux im gesamten Sinne als Mischung aus Magensäure, -brei und -enzymen. Stattdessen misst man Faktoren, die in Zusammenhang mit Stillem Reflux auftreten, beispielsweise Veränderung des pH-Wertes im Hals. Die Indirektheit der Messung geht aber zwangsläufig mit einer höheren Variabilität der Resultate einher. Mit anderen Worten, die Genauigkeit ist nicht so hoch, wie man sie gerne hätte.

Zudem stellen die meisten Tests nur eine Momentaufnahme dar, Reflux ist jedoch ein dynamischer Prozess. Eine Messung an zwei verschiedenen Zeitpunkten kann sehr unterschiedliche Ergebnisse liefern. Selbst wenn eine Messung über 24 Stunden vorgenommen wird, so kann die Stärke des Refluxes zwischen verschiedenen Tagen stark schwanken, beispielsweise durch verändertes Ernährungsverhalten. Zudem reagieren manche Menschen mit deutlich verstärktem Reflux an gestressten Tagen.

Ein einzelner negativer Test schließt Stillen Reflux also keineswegs aus. Um zusätzlich die Ursache des Stillen Reflux zu finden, sind zudem eine ganze Reihe von Tests nötig.

Typische Stiller Reflux Tests & Diagnoseverfahren

Folgende Tests kommen bei der Diagnose zum Einsatz. In der Regel werden nur 1-2 Diagnoseverfahren durchgeführt, insbesondere eine pH-Messung. Nur bei komplexen Fällen, insbesondere vor Operationen, ist ein kompletteres Bild durch zusätzliche Tests nötig:

1.     24 Stunden pH-Metrie

Bei der pH-Metrie wird der pH-Wert gemessen, der angibt wie sauer etwas ist. Es ist ein Standardverfahren, um sauren Reflux in der Speiseröhre nachzuweisen, wird aber auch eingesetzt, um den pH-Wert im Hals zu messen, was bei Atemwegsreflux relevant ist.

Bei Stillem Reflux ist es jedoch nicht Säure, die die eigentlichen Schäden anrichtet, sondern Pepsine.[1] Dies sind Verdauungsenzyme aus dem Magen, die mit dem Reflux in den Hals und in die Atemwege gelangen. Der gasförmige Reflux ist zwar tendenziell sauer, aber oftmals nicht sauer genug, um bei der pH-Metrie auffällig zu sein. Daher lässt sich mit diesem Test der Stille Reflux nicht immer nachweisen.[2]

Wichtig ist, dass für die pH-Metrie ein Gerät eingesetzt wird, welches auf Stillen Reflux spezialisiert ist. Eine Messung auf flüssigen Reflux in der Speiseröhre hat keinerlei Aussagekraft, ob es gasförmiger Reflux bis in die Atemwege schafft.

Oftmals herrscht bei Ärzten Unklarkeit, wer denn nun für die Durchführung der pH-Metrie zuständig ist. Nur manche HNOs und Gastroenterologen bieten pH-Messungen im Hals für Stillen Reeflux an. Aus Leseremails entnehme ich, dass Fachärzte oftmals an Gastroenterologen überweisen, da diese klassischerweise für die Behandlung von Reflux zuständig sind. Oftmals bieten Gastroenterologen jedoch nur pH-Messungen in der Speiseröhre an, nicht im Hals. Zudem wird über diesen Umstand regelmäßig nicht einmal aufgeklärt, sodass Patienten annehmen, dass schon das richtige gemacht wird. Später stellt sich dann heraus, dass die Messung nutzlos für den Stillen Reflux war.

2.      Manometrie

Die Speiseröhre befördert geschluckte Nahrung in den Magen, indem sie sich in wellenförmigen Bewegungen zusammenzieht und ausdehnt. Auf die gleiche Art und Weise kann sie auch Reflux zurück in den Magen transportieren. Man nennt diese Bewegungen Peristaltik und diese lässt sich mit Manometrie messen. Außerdem misst Manometrie den Druck, mit dem die Sphinkter (Ventile am oberen und unteren Ende der Speiseröhre) die Speiseröhre zusammendrücken.

Die größte Schwäche dieser Methode ist, dass sie nur eine Momentaufnahme misst. Denn bei Reflux sind die Ventile nicht unbedingt generell zu schwach, sondern öffnen sich zu häufig. Das lässt sich natürlich in einer einmaligen Messung schlecht feststellen. Bei Stillem Reflux ist die Manometrie oft unauffällig.

3.     Kehlkopfspiegelung (Laryngoskopie)

Bei der Kehlkopfspiegelung wird der Kehlkopf optisch untersucht. Stiller Reflux kann Rötungen, Schwellungen, und Verschleimungen verursachen, die man bei einer Kehlkopfspiegelung sehen kann.

Andere Krankheiten, wie zum Beispiel Allergien, können jedoch sehr ähnliche Anzeichen haben. Außerdem ist die Beurteilung wann ein Kehlkopf auffällig aussieht sehr subjektiv und erfordert viel Erfahrung mit der Krankheit. Daher gilt die Kehlkopfspiegelung als äußerst unzuverlässige Diagnosemethode für Stillen Reflux.[3]

Die Spiegelung eignet sich jedoch, um andere Ursachen für die Symptome auszuschließen.

4.     Magenspiegelung (Gastroskopie)

Bei einer Magenspiegelung wird die Speiseröhre, der Magen, und eventuell der obere Teil des Darms betrachtet. Bei Stillem Reflux ist der Zustand des Magens und der Speiseröhre jedoch meist unauffällig.[4] Allerdings lässt sich bei der Spiegelung auch sehen, ob ein größer Zwerchfellbruch vorliegt, was in einem kleinen Teil der Betroffenen die Ursache für Reflux sein kann.

5.     Magenentleerungsscan

Der Magenentleerungsscan wird relativ selten durchgeführt, da er recht teuer ist.

Der Scan liefert dem Arzt Informationen, wie schnell sich der Magen nach einer Mahlzeit leert. Wenn Nahrung zu lange im Magen bleibt, so liefert das eine Information zur Ursache des Reflux.

6.     Ösophagusbreischluck

Dieser Test wird ebenfalls selten eingesetzt. Hier kann der Schluckakt mithilfe von Röntgenstrahlung visuell dargestellt werden. Auf diese Weise können Schluckstörungen, inklusive Defekte der Speiseröhrenventile und der Speiseröhre, festgestellt werden.

Neuere Testverfahren im Ausland

Es gibt im Ausland einige Testverfahren, welche eingesetzt werden, aber in Deutschland nicht, oder seltener eingesetzt werden. Teils wegen geringem Nutzen, teils aber auch einfach, weil die Bürokratie hierzulande langsam ist und neue Verfahren dadurch erst mit starker Verzögerung auf den deutschen Markt gelangen.

Der Grund warum ich diese Verfahren hier erwähne ist, dass ich manchmal von deutschen Lesern gefragt werde, welche meine englischen Artikel auf Refluxgate.com lesen.

7.     Test auf Pepsine im Speichel

Es gibt mittlerweile im Ausland neue Tests, welche Pepsine aus einer Speichelprobe nachweisen und somit theoretisch eine direktere Aussage über die Ursache der Stiller Reflux Symptome machen.

Jedoch haben diese Tests bisher noch mit einer hohen Ungenauigkeit und geringer Akzeptanz bei Ärzten zu kämpfen. Zudem handelt es sich um eine Momentaufnahme. Stiller Reflux ist sehr dynamisch und tritt in Episoden auf, weswegen eine, oder wenige Speichelproben kein genaues Bild über das Ausmaß der Krankheit liefern. Gleichzeitig bedeutet ein negativer Befund nicht, dass Reflux nicht zu anderen Tageszeiten auftritt.[5]

Entsprechend ist der Nutzen dieser Pepsintests bisher sehr gering.

8.     Elektrogastrographie (EGG)

Mit einem EGG wird die Aktivität der Magenmuskeln gemessen, was Hinweise zur Ursache von Problemen mit der Motilität (Beweglichkeit) des Magens liefern kann. Insbesondere erfolgt die Messung in Zusammenhang mit Gastroparese, einer Lähmung des Magens mit verzögerter Magenentleerung. Reflux kann auch eine Folge von Gastroparese sein.[6],

Technisch funktioniert das EGG ähnlich wie das EKG, welches zur Messung des Herzmuskels eingesetzt wird. Der Unterschied ist nur, dass die Elektroden anstatt auf der Brust auf dem Bauch angebracht werden.[8]

Das EGG wird selbst im Ausland noch wenig eingesetzt, nimmt aber langsam an Akzeptanz zu, um bei der Diagnose von Refluxursachen zu helfen. In Deutschland wird es aber noch kaum eingesetzt. Die Charite in Berlin ist eine der wenigen Stellen, welche den Test in Deutschland durchführt.

Die Symptome sind bei der Diagnose ein entscheidender Faktor

Es gibt keinen Test, mit dem sich Stiller Reflux eindeutig nachweisen lässt. Am sinnvollsten ist eine pH-Metrie. Dabei ist aber essentiell, dass die Messung im Hals durchgeführt wird, nicht in der Speiseröhre. Leider fordern viele Ärzte auch bei Stillem Reflux immer noch eine Standardmessung in der Speiseröhre an, die für Stillen Reflux jedoch keinerlei Aussagekraft hat.

Die Stiller Reflux Symptome liefern bei der Diagnose wichtige Hinweise und sollten daher immer miteinbezogen werden. Denn anhand der Symptome lässt sich die Wahrscheinlichkeit für Stillen Reflux gut abschätzen. Mit dem Symptomindex für Stillen Reflux kannst du herausfinden, ob deine Symptome zur Erkrankung passen.[9]

Die Symptome sollten auch über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, um zu sehen, durch welche Faktoren sie beeinflusst werden. Dies erfordert viel Zeit, die Ärzte nicht aufbringen können. Daher ist hier viel Eigeninitiative gefragt. Gerade wenn die Symptome über einen langen Zeitraum bestehen bleiben und andere Ursachen ausgeschlossen werden können, sind sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Stillen Reflux zurückzuführen.


Quellen

[1] Johnston N, Dettmar PW, Bishwokarma B, Lively MO, Koufman JA. Activity/stability of human pepsin: implications for reflux attributed laryngeal disease. Laryngoscope. 2007;117(6):1036-9.

[2] Maldhure S, Chandrasekharan R, Dutta AK, Chacko A, Kurien M. Role of PH Monitoring in Laryngopharyngeal Reflux Patients with Voice Disorders. Iran J Otorhinolaryngol. 2016;28(89):377–383.

[3] Campagnolo AM, Priston J, Thoen RH, Medeiros T, Assunção AR. Laryngopharyngeal reflux: diagnosis, treatment, and latest research. Int Arch Otorhinolaryngol. 2014;18(2):184–191.

[6] Yin J, Chen JD. Electrogastrography: methodology, validation and applications. J Neurogastroenterol Motil. 2013;19(1):5–17.

[8] McCallum RW, Soykan I. What is the value of electrogastrography in reflux disease? OESO foundation. Mai 1998. Abgerufen am 16.07.2019.

[9] Belafsky PC, Postma GN, Koufman JA. Validity and reliability of the reflux symptom index (RSI). J Voice. 2002;16(2):274-7.

Über den Autor

Gerrit Sonnabend

Gerrits Sonnabends beruflicher Hintergrund ist in der qualitativen Forschung und Data-Science. Er hatte selbst starken Reflux. Hier kannst du mehr zu Gerrit erfahren.